2.04.2009

Neuer Bahn-Terminator:
Rüdiger Grube

Ein Manager der Automobil- und Flugzeug-Branche

Mit der Auswahl des Nachfolgers für den gescheiterten Bahn-Chef Hartmut Mehdorn1, zeigt sich einmal mehr, in wessen Auftrag die "schwarz-rote" Bundesregierung agiert: Aus der Automobil- und Flugzeug-Branche stammt - wie auch Vorgänger Mehdorn - der heute (Donnerstag) nach nur drei Tagen Suche relativ kurzfristig präsentierte neue Bahn-Chef Rüdiger Grube.

Die Neubestetzung entbehrt nicht einer kleinen realsatirischen Pointe: Mehdorn mußte letztlich wegen eines Bespitzelung-Skandals, der sich andernfalls für den Wahlkampf hätte ungünstig auswirken können, zum Rücktritt gezwungen werden - Grube arbeitete zuletzt als Spitzenmanager beim Luftfahrt- und Rüstungs-Konzern EADS, wo im Bereich der Tochtergesellschaft Airbus ebenfalls MitarbeiterInnen bespitzelt worden waren. (Inzwischen stellt sich allerdings die Frage, ob solche Stasi-Methoden in der deutschen Wirtschaft die Ausnahme oder eher die Regel sind.)

Mit Rüdiger Grube wird ein Manager an die Spitze der Bahn geholt, der bereits zweimal bei strategischen Entscheidungen grandios gescheitert ist. Als Strategie-Chef stand der Schrempp-Intimus Grube für die Weltkonzern-Orientierung von DaimlerChrysler und insbesondere für die damalige Übernahme des US-Automobil-Konzerns Chrysler und das Engagement beim japanischen Automobil-Konzern Mitsubishi. Mehdorn hatte als Bahn-Chef unter anderem mit den Neuwerbungen Bax Global (USA), Interfesa (Spanien) und EWS (Großbritannien) eine vergleichbare Strategie verfolgt - und versucht, die Bahn mit dem Speditions-Bereich Schenker zu einem "global player" im Logistikbereich auszubauen. In diesen Bereichen gibt es nun infolge der Weltwirtschaftskrise massive Einbrüche.

Bevor Grube 2001 von Jürgen Schrempp in die Stuttgarter Zentrale des Daimler-Konzerns geholt wurde, arbeitete er als Manager in der Flugzeug-Branche. In den 90er-Jahren war er Mehdorns Bürochef - Mehdorn damals Vorstand des Flugzeugbauers DASA, einer Tochter von Daimler. Nach dem Scheitern Schrempps als Daimler-Chef im Jahr 2005 galt Grubes Karriere als gefährdet, da dessen Nachfolger Dieter Zetsche mit Daimler einen tiefgreifenden Strategiewechsel vollzog. Doch Grube konnte sich als Verwaltungsratschef des europäischen Luftfahrt- und Rüstungs-Konzerns EADS, an dem Daimler beteiligt, halten.

"Erneut wird jemand, der von Bahn keinerlei Ahnung hat, Bahnchef. Und erneut wird jemand aus Bereichen, die mit dem Schienenverkehr direkt konkurrieren, Spitzenmann bei der Bahn", sagt Winfried Wolf, Sprecher der Organisation 'Bürgerbahn statt Börsenbahn' (BsB), eines Mitglieds beim Dachverband 'Bahn für alle'. Er sehe hier eine Kontinuität, seitdem Anfang der 90er Jahre Heinz Dürr, damals ebenfalls Daimler-Vorstand und Eigentümer eines großen Autozulieferers, Bahnchef wurde. "Hartmut Mehdorn war vor seiner Tätigkeit als Bahnchef ebenfalls durch seine Jahrzehnte lange Tätigkeit im Flugzeugbau und in der Autoindustrie geprägt. Unter Bahnchef Mehdorn rückte rund ein Dutzend ehemals führender Manager aus den Bereichen Rüstung, Autoindustrie und Luftfahrt in das Top-Management der Bahn. Unter anderem wurde 2002 das kontraproduktive neue Tarifsystem PEP direkt aus dem Luftfahrtsektor übernommen - was der ehemalige Lufthansa-Mann Christoph Franz zu verantworten hatte."

"Solche personellen Kontinuitäten könnte man ja als Zufall abtun, aber sie bringen das konkrete Unternehmenskonzept der Bahn doch personalisiert auf den Punkt", meint Hans-Gerd Öfinger, aktiv bei 'Bahn von unten', ebenfalls Bündnispartner bei 'Bahn für alle'. Öfinger verweist darauf, daß die Konzentration auf Hoch- geschwindigkeitsstrecken bei einem gleichzeitigen systematischen Abbau der Bahn in der Fläche - beispielhaft erkennbar an der Abschaffung des Inter-Regio - und auf Weltmarktexpansion die Schiene strukturell schwächte und damit die Interessen der Konkurrenz, des Flug- und Autoverkehrs, bediente.

Kritisch äußert sich auch Claus Weselsky, Vorsitzender der nicht im Aufsichtsrat vertretenen Lokführergewerkschaft GDL. Es sei davon auszugehen, daß Grube die Bahn als "Weltkonzern" betrachten werde und weiter auf internationale Expansion setze. "Dies kann nicht im Sinne des Schienenverkehrs in Deutschland sein", erklärte Weselsky.

Schließlich befürchtet 'Bahn für alle', daß es mit einem neuen Bahn-Chef eine fatale Schlußstrich-Mentalität in Sachen Bespitzelung geben könnte. "Wir verlangen die vorbehaltlose Aufklärung des Skandals", erklärt Winfried Wolf. "Schließlich zeigen die jüngsten Enthüllungen: Die Bahnspitze ließ die Belegschaft und kritische Bahnexperten flächendeckend bespitzeln, um die Kritik an der Privatisierung der Bahn auszuschalten." Letzten Endes habe Mehdorn gehen müssen, weil die Bahnprivatisierung - bisher - scheiterte. Eine uneingeschränkte Aufdeckung des Skandals werde deutlich machen, wie die Bahnspitze systematisch versuchte, die öffentliche Meinung zu Gunsten einer Bahnprivatisierung zu gewinnen. Die Bahnspitze habe verdecken wollen, daß mehr als 75 Prozent der Deutschen einen Verbleib der Bahn in öffentlichem Eigentum fordern.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Bahn-Chef Mehdorn von Merkel zurückgetreten
      Herber Verlust für Flugzeug- und Automobil-Lobby (30.03.09)

      Mehdorn wackelt
      Läuft die Uhr des Bahn-Terminators ab? (29.03.09)

      Bahn-Datenaffäre: "Brandbeschleuniger"
      Mehdorn sorgt mit Briefwechsel für Eskalation (11.03.09)

      Bahn-Privatisierung abgesetzt
      Weltwirtschaftskrise rettet Deutsche Bahn (4.03.09)

      Bahn vergrault Fahrgäste in Baden-Württemberg
      Kahlschlag beim Service (12.02.09)

      Mehdorn vergrault Fahrgäste
      Bahn im Verfolgungswahn (3.01.09)

      Bundestag nickt Bahnprivatisierung ab
      Wem dient das deutsche Parlament? (31.05.08)

      Transnet-Chef Hansen belohnt
      Sitz im Bahn-Vorstand für Verdienst um Privatisierung (9.05.08)

      Bahnprivatisierung kann noch verhindert werden
      Das größere Übel auf Kosten der Gesellschaft und der Umwelt
      (20.04.08)

      Aus für Transrapid
      Erfolg für Umwelt und Klima (27.03.08)

      Tarif-Erfolg der GDL zeigt Perspektive auf
      Mehdorn macht auf Rumpelstilzchen (15.01.08)

      Stuttgart 21
      Unerwartet starke Beteiligung am Bürgerbegehren (14.11.07)

      Pro und Contra LokführerInnen-Streik (29.10.07)

      Geheime Studie:
      Kahlschlag der Deutschen Bahn minutiös geplant (24.10.07)

      Deutsche Bahn soll an die Börse
      Grünes Licht für weitere Demontage (24.07.07)

      Streckenstilllegungen und Fahrplanausdünnung bei der Bahn
      Sozialabbau und Klimawandel (18.06.07)

      Verkehr verursacht 80 Milliarden Euro an externen Kosten
      Staat subventioniert Straßenverkehr und fördert Klimakatastrophe
      (8.05.07)

      InterRegio-Zerstörung
      Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Mehdorn (9.10.06)

      Rettet die Deutsche Bahn!
      Spitze der Bahngewerkschaft wackelt
      Ein Vergleich mit der Schweizer Bahn (8.09.06)

      Flugverkehr - Straßenverkehr - Schienenverkehr
      Je umweltschädlicher - desto mehr Subventionen (16.07.06)

      Straßenverkehr subventioniert - Bahnverkehr stranguliert (15.07.06)

      Schulden auf den Schultern der Kinder und Kindeskinder
      130 Milliarden Euro jährliche Folgekosten durch den Straßenverkehr
      (6.10.04)

      Verkehrswende zu weniger Autoverkehr
      Von der Utopie zur Realität (5.06.03)

      Mehdorn, der "rot-grüne" Terminator
      Die planmäßige Demontage der Deutschen Bahn (20.05.03)

 

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