17.09.2008

Alte Wälder
schlucken mehr Kohlendioxid

Wald-AIDS in Deutschland beschleunigt Klimawandel

Alte Wälder können weit mehr Kohlendioxid aufnehmen als bisher von der Forstwissenschaft angenommen. Sie können daher in weit höherem Maße als sogenannte Kohlendioxid-Senken dienen. (Der Begriff "Senke" ist hier sinngemäß als Gegenstück zum Begriff "Quelle" zu verstehen.) Wiederaufforstung ist demnach schlechter als die Wahrung des Altbestands.

Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von ForscherInnen der Universität Antwerpen, die im Wissenschaftsmagazin 'Nature' veröffentlicht wurde. Es mag zwar sinnvoll sein, Wälder wiederaufzuforsten, noch sinnvoller sei es aber, alte Bäume nicht zu fällen, so das Fazit. Dies bedeutet, daß die durch Wald-AIDS1 erzwungene permanente Entnahme älterer Bäume - insbesondere von Buchen und Eichen - aus den deutschen Wäldern zum Klimawandel beiträgt. Die Fähigkeit der deutschen Wälder, Kohlendioxid zu binden, wird mit einer fortlaufenden Verjüngung beträchtlich reduziert.

Eine Alternative besteht nun allerdings keinesfalls darin, kranke ältere Bäume stehen zu lassen. Zur Rettung der deutschen Wälder müßten längst tiefgreifende präventive Maßnahmen durchgesetzt werden. Dazu gehört nicht allein eine massive Reduzierung der Straßenverkehrs, sondern vorrangig der beschleunigte Umstieg zur Bio-Landwirtschaft. An erster Stelle der Wald-AIDS verursachenden Schadfaktoren steht seit Jahren der Stickstoffeintrag aus der agro-industriellen Landwirtschaft und Ammoniak-Emissionen aus der landwirtschaftlichen Tierproduktion.

Bis vor kurzem war die Forstwissenschaft davon ausgegangen, daß sehr alte Waldgebiete kein Kohlendioxid mehr aufnehmen können. "Die Auswertungen von 519 Waldgebieten in gemäßigten und borealen Zonen in den USA und in Mitteleuropa haben aber genau das Gegenteil ergeben", so Studienleiter Sebastiaan Luyssaert vom Department of Biology an der Universität Antwerpen. Sogar mehr als 300 Jahre alte Waldflächen erwiesen sich als effektive Treibhausgas-Senken. Überraschend sei das Ergebnis nicht gewesen, meint Luyssaert. Bisher habe es nur Vermutungen darüber gegeben. "Nun haben wir allerdings erstmals den wissenschaftlichen Beweis dafür."

Bisher war lediglich ein Regenwaldgebiet auf sein Vermögen, Kohlendioxid zu schlucken, untersucht worden. Seit Mitte der 90er Jahre haben Wissenschaftler vermehrt Daten gesammelt. Ein solches Datensammlungssystem ist Fluxnet. "Fluxnet ist ein globales Netzwerk in dem mehr als 400 Versuchsflächen zusammengeschlossen sind, die alle mit der gleichen mikrometeorlogischen Methode, den Austausch von Kohlendioxid, Wasserdampf und fühlbarer Wärme zwischen terrestrischen Ökosystemen und der Atmosphäre messen", so Georg Wohlfahrt vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck. Die Bandbreite an Versuchsflächen reiche von Wüsten über landwirtschaftliche Flächen zu tropischen Regenwäldern und Ökosystemen in der Arktis. "Ziel dieser Messungen ist es zu quantifizieren, welche Rolle terrestrische Ökosystem im globalen Kohlenstoff- und Wasserkreislauf spielen." Fluxnet wird von Dennis Baldocchi von der University of California in Berkeley koordiniert.

Die Netto-Kohlendioxid-Aufnahme eines Waldes geht mit dem Alter zwar leicht zurück, dennoch binden aber auch 200 Jahre alte Wälder immer noch rund 2,4 Tonnen Kohlenstoff pro Hektar und Jahr. Die Primärwälder in den gemäßigten und borealen Zonen machen etwa 15 Prozent der globalen Waldflächen aus. Sie binden pro Jahr etwa 1,3 Milliarden Tonnen des Treibhausgases und geben etwa eine halbe Milliarde Tonne ab. "Neben der Tatsache, daß die Wälder ein Hort der Biodiversität sind, sind sie nach den jüngsten Berechnungen auch noch wertvolles Terrain", meint der Forscher. Das macht es noch dringlicher, diese Wälder auch zu schützen.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

1 Siehe auch unsere Artikel:

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Seehofer will nur noch alle vier Jahre berichten (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Nur drei Jahre seit 1983 waren schlimmer... (24.11.07)

      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
      "Rot-Grün" schaut zu (18.03.05)

      Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor (8.12.04)

      Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983 (19.10.04)

      WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

      Der Wald hat AIDS
      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

      Auch "Rot-Grün" kann nicht länger leugnen:
      Dem Wald geht's immer schlechter (12.12.03)

      Waldsterben trotzt Künast
      Optimismus allein nützt nichts (23.10.03)

      Waldsterben virulent (29.08.03)

      Künast zum Haartest? (15.07.03)

Siehe auch unsere Artikel:

      Auch "Rot-Grün" kann nicht länger leugnen:
      "Linker" Präsident Lula unterstützt Raubbau (15.01.08)

      Kyoto-Protokoll und Regenwaldvernichtung (20.08.07)

 

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