18.08.2007

Zweite deutsche Bank
im Sog der Krise

Sparkassen hängen mit drin

Die vom Platzen der US-amerikanischen Immobilien-Blase ausgelöste Kredit-Krise weitet sich immer schneller aus. Nachdem in dieser Woche fast täglich eine weitere US-Bank oder ein Investor in den Abwärtssog geriet, hat es nun nach der IKB-Bank (1. August) die zweite deutsche Bank erwischt. Laut 'spiegel' soll jetzt auch die SachsenLB vor einem Verlust von 500 Millionen Euro stehen. Grund sind ebenfalls Geschäfte mit zweitklassigen Immobilien-Krediten.

In den USA ist heute (Samstag) offenbar die US-Hypothekenbank Novastar Financial in Schieflage geraten. Sie gab bekannt, daß sie wegen der Subprime-Krise 37 Prozent der Mitarbeiter entläßt. Damit werden rund 500 Arbeitsplätze liquidiert. Der US-Fondsanbieter Sentinel Management hat Gläubigerschutz beantragt. Die Zahl seiner Kreditgeber gab Sentinel in einer Mitteilung an ein Konkurs-Gericht in Illinois mit rund 200 an. Auch Fonds von Großbanken wie Bear Stearns und Goldman Sachs haben angesichts der Kreditkrise Probleme bekommen. Der UBS-Hedgefonds Dillon Read Capital ist in Schwierigkeiten und die US-amerikanische Elite-Universität Havard verlor viele Millionen Dollar durch die Pleite des Fonds Sowood Capital. Und deutsche Anbieter wie Frankfurt Trust schließen vorübergehend Fonds, die in den Asset-Backed-Securities-Markt involviert sind.

Die SachsenLB hat laut 'spiegel' über eine irische Investment-Gesellschaft in den USA in sogenannte Subprime-Kredite in Höhe von über drei Milliarden Euro investiert. Wegen fauler Kredite drohen nun Millionen an Bewertungsverlusten. Sowohl die Deka Bank als auch weitere Landesbanken mußten gestern mit einem Kreditrahmen von 17,3 Milliarden Euro aushelfen, um die Liquidität der öffentlich-rechtlichen Bank zu sichern. 17,3 Milliarden Euro entspricht den Angaben zufolge dem Gesamtwert der SachsenLB-Tochter Ormond Quay, einer irischen Investment-Gesellschaft. Dafür verlangten und erhielten die Banken eine Garantieerklärung des Landes Sachsen. Zum Vergleich: Das jährliche Haushaltsvolumen des Landes Sachsen liegt bei 15 Milliarden Euro. Die Finanzspritze wurde laut 'Financial Times Deutschland' bei einem Krisentreffen zwischen der SachsenLB, der Bundesfinanzaufsicht Bafin und dem Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes vereinbart. Laut einem Bericht der 'Welt' hat Ormond Quay außerhalb der Bilanz Geschäfte im Volumen von 50 Milliarden Euro betreiben. Im Jahr 2004 seien es erst rund 30 Milliarden Euro gewesen.

Die Sachsen LB dementierte den 'spiegel'-Bericht. "Das ist Unsinn", sagte ein Banksprecher heute. "Wir erwarten keine erhöhten Wertberichtigungen aus dem gemanagten Portfolio", fügte er hinzu. Laut 'spiegel' hat sich die von der Landesbank-Tochter Sachsen LB Europe verwaltete Gesellschaft Ormond Quay aufgrund der sich zuspitzenden Krise bei so genannten Commercial Papers (CP) nicht mehr ausreichend refinanzieren können. Die Bonität der gesamten Bank sei dadurch in Frage gestellt worden. CPs sind Anleihen mit einer sehr kurzen Laufzeit. Durch die Hilfsaktion des Sparkassen-Pools könnten die Papiere nun bei ihrer Fälligkeit eingelöst werden. Dieser Pool bestehe "primär" aus Landesbanken, sagte ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV).

Nach aktuellen Informationen sei bei der IKB-Bank ein Verlust aus dem US-Engagement in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu erwarten. Sie mußte von der staatseigenen KfW-Bank mit einer Liquiditätslinie von 8,1 Milliarden Euro gestützt werden. Für den Betrag stehen zu 70 Prozent die KfW und zu 30 Prozent Verbände privater Banken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken ein.

Die Finanzaufsicht Bafin begrüßte die schnelle Lösung. "Die Sparkassen-Finanzgruppe hat damit erneut schnell, marktgerecht und verantwortungsvoll ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt", sagte DSGV-Präsident Heinrich Haasis. Für die anderen von der SachsenLB betreuten Gesellschaften - Georges Quay und Sachsen Funding - sei ausreichend Liquidität vorhanden, teilte die Landesbank mit. Die daraus entstehenden Finanzierungsverpflichtungen könnten erfüllt werden.

Die 1992 gegründete SachsenLB ist die einzige Landesbank der neuen Bundesländer. Anteilseigner sind das Land ("Freistaat") Sachsen mit 37 Prozent und mit 63 Prozent die Sachsen-Finanzgruppe SFG, die aus acht Sparkassen und der SachsenLB selbst besteht. Vor rund einem Monat wurde das bisher öffentlich-rechtliche Geldinstitut in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Dadurch sollte unter anderem die Position auf den internationalen Märkten gestärkt werden, hieß es. Die Sachsen LB hatte nach Skandalen und personellen Querelen nach offizieller Darstellung wieder Tritt gefaßt und 2006 ein Rekordergebnis eingefahren. Der Konzern-Jahresüberschuß stieg binnen Jahresfrist von 6,2 auf 56,5 Millionen Euro. Der Ende 2003 erneuerte Haftungsverband der Sparkassen und Landesbanken war Anfang 2006 in Kraft getreten und um 50 Prozent auf 4,2 Milliarden Euro erhöht worden. Vor dem Hintergrund der Milliarden-Beträge, um die es bei der gegenwärtigen Finanz-Krise geht, erscheint ein solcher Bertrag allerdings lächerlich

Nach neuesten Informationen ist nun auch eine Sparkasse im Raum Köln-Bonn in den Sog der Krise geraten. Es soll sich um die zweitgrößte Sparkasse in Deutschland handeln. Die meisten der rund 450 Sparkassen und mehr als 1200 Volks- und Raiffeisenbanken haben allerdings noch gar nicht offen gelegt, welche Risiken in ihren Büchern liegen - auch die jeweiligen Verbände haben bislang praktisch keinen Überblick. "Häuser, die massive Probleme haben, werden das aber auf Dauer nicht verschleiern können", sagt ein Vertreter einer Großsparkasse. "Spätestens die Bilanz am Ende des Jahres bringt alles ans Licht."

Eine Äußerung des Chef-Volkswirts der Deutschn Bank, Norbert Walter, hat mittlerweile zu Fehlinterpretationen verleitet. Walter sagte in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: "Es wurde finanziell richtig langweilig in vielen Märkten. Sprich die Erträge, die man erzielen konnte, waren ziemlich niedrig. In einer Situation, in der man früher gewohnt war, durchaus hohe Renditen zu erwirtschaften, war man plötzlich mit langweiligen Renditen von 3, 4 Prozent konfrontiert. Um einen Ausweg aus dieser Situation zu finden, hat man natürlich auch höhere Risiken in Kauf genommen." Es wäre verfehlt, hieraus zu schließen, Bankmanager könnten frei darüber entscheiden, sich mit geringen Renditen zufrieden zu geben. Der Weg in immer riskantere Geschäfte ist im Kapitalismus durch den Zwang zur Profitmaximierung vorgezeichnet. Die Immobilien-Blase in den USA war auch nur das schwächste Glied in einer langen Kette, die zuvor schon an anderer Stelle hätte reißen können.

Der Erlangener Bankenprofessor Wolfgang Gerke erklärt zur Risiko-Politik der Banken: "Banken, die in den letzten Jahren Gefahr liefen, ihre starke Position zu verlieren, kompensieren wegbrechende Erträge oft durch riskante Geschäfte." Das sei bei der IKB so gewesen und bei einzelnen Landesbanken nicht anders. Die einst stolzen Institute stehen unter Druck. Bis vor zwei Jahren war eine Landesbank eine fast unzerstörbare Geldmaschine: Dank Staatsgarantien im Rücken konnten sich die Institute Kapital zu Schleuderzinsen besorgen und mit hoher Gewinnmarge weiter verleihen. Doch seit im Sommer 2005 die Staatsgarantien endeten, müssen die Institute nach neuen Ertragsquellen suchen.

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Aussage des Präsidenten der Frankfurt School of Finance & Management, Professor Udo Steffens, wonach die Banken gezwungen seien, zunehmend riskantere Geschäfte zu machen. "Es gibt keine Alternative zu diesem Weg. Der Renditedruck ist sehr hoch und der Heimatmarkt zu wenig entwickelt." Deutsche Großbanken wie Deutsche Bank, Dresdner Bank und Commerzbank müßten deshalb international mitspielen. "Die Kapitalmarktorientierung der Banken ist daher für den Finanzplatz Deutschland der richtige Weg." Wohin dieser Weg allerdings führt, ist inzwischen unübersehbar.

Der Hedgefonds-Experte Bernd Berg äußerte in einem Interview mit dem 'Manager Magazin' die Ansicht, daß es sich bereits jetzt um eine globale Finanzkrise handele, die nicht nur Hypothekenfinanciers und Banken, sondern auch zahlreiche Aktienunternehmen erfaßt habe. Er wies darauf hin, daß nicht wenige Aktionäre innerhalb weniger Tage ihr komplettes Vermögen verloren hätten. Nach Bergs Einschätzung seien zahlreiche Hedgefonds und Banken "zu hohe Risiken" eingegangen. Insbesondere der starke Verfall des Euro im Vergleich zum Yen um zuletzt rund 10 Prozent könne selbst große Hedgefonds noch "in ernsthafte Schwierigkeiten" bringen. Erstmals treffe eine "Immobilien- und möglicherweise Bankenkrise das Herz der Weltwirtschaft".

 

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Anmerkungen

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