21.07.2009

Trotz Wald-AIDS:
Deutsche Forstwirtschaft
nicht nachhaltig

Nachhaltigkeit wird in den Sonntagsreden von Partei-PolitikerInnen gerne und oft bemüht, doch weder in der Klima-Politik, noch in der Energie-, der Verkehrs- oder Agrar-Politik entsprechen sich Taten und Worte auch nur ansatzweise. Laut dem nun vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) erstmals vorgelegten "Schwarzbuch Wald" steht es um das politische Handeln in puncto Wald ebenso düster wie in allen anderen genannten Bereichen. Und dies, obwohl sich Wald-AIDS, einer anhaltenden, von außen zugefügten und chronischen Abwehrschwäche der deutschen Wälder, gegenüber dem Ausbruch zu Beginn der 1980er Jahre verschlimmert hat. (Siehe hierzu unseren unten verlinkten Artikel v. 21.02.09)

Laut BUND trägt Deutschland für den Erhalt der Buchenwälder eine besondere Verantwortung. Ursprünglich war ein Viertel der weltweiten Buchenwaldbestände in Deutschland beheimatet. Doch der überwiegende Teil wurde bereits abgeholzt oder in schnellwachsende Nadelforst umgewandelt. Und nach dem zuletzt veröffentlichten "Waldzustandsbericht 2008" sind 30 Prozent der Buchen in deutschen Wäldern schwer geschädigt und weitere 46 Prozent mußten als krank eingestuft werden. Nach offiziellen Angaben kann also nur 24 Prozent des Buchen-Bestandes als gesund gelten. Um den angeblichen "Baum der Deutschen", die Eiche, steht es nicht besser. Laut der offiziellen Bestandsaufnahme konnten 2008 nur noch 18 Prozent der Eichen in deutschen Wäldern als gesund bezeichnet werden.

Das "Schwarzbuch Wald" legt erhebliche "Defizite" in der deutschen Waldwirtschaft offen. Immer deutlicher bestimmt der Profit das Handeln und keineswegs das Prinzip Nachhaltigkeit, das bekanntlich auf historischen Erkenntnissen der Fortwirtschaft beruht. Nicht selten kam es sogar zu verheerenden Kahlschlägen. In 15 Fallstudien aus elf Bundesländern werden vom BUND unter anderem Verstöße gegen nationale und europäische Naturschutzgesetze und -richtlinien dokumentiert.

Neben Kahlschlag mußte der BUND auch Fällungen wertvoller Altbaumbestände und Bodenschäden durch den Maschineneinsatz in Wäldern registrieren. Mehrfach wurde auch die Brut besonders geschützter Arten zerstört, was gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstößt. Zur Begründung für verheerende Eingriffe werde oftmals das Argument der Verkehrssicherungspflicht vorgeschoben.

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender erklärte bei der Veröffentlichung des Schwarzbuches: "Die aufgedeckten Fälle sind symptomatisch für die Mißachtung des Wald- und Naturschutzes. Die heutige Waldwirtschaft genügt weder den gesetzlichen Anforderungen noch dem Natur- und Artenschutz. Der Stop des Artensterbens ist eine der dringlichsten Aufgaben unserer Zeit."

Zum Schutz der Artenvielfalt ist es laut BUND dringend erforderlich, fünf Prozent der Waldfläche als Naturwaldreservate oder Kernzonen von Großschutzbieten vollständig aus der Nutzung zu nehmen. Langfristig sollten diese ungenutzten Flächen durch kleinere Areale um weitere fünf Prozent ergänzt werden. Derzeit seien lediglich 0,5 Prozent der Wälder frei von jeder forstlichen Nutzung. Der BUND kritisierte die "schwarz-rote" Regierungs-Koalition für ihr "Versäumnis", wie im Koalitionsvertrag vereinbart das Bundeswaldgesetz zu novellieren.

Bei aller Kritik an der deutschen Forstwirtschaft sollte allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß Wald-AIDS in erster Linie eine Folge der deutschen Agrar-Politik, der Verkehrs- und der Energie-Politik (in dieser Reihenfolge) ist. Insbesondere müssen die Subventionen in diesen Bereichen als bewußte Entscheidung der in Deutschland maßgeblichen Eliten angesehen werden. (Siehe hierzu unsere unten verlinkten Artikel vom 9.06.09, vom 29.01.09 und vom 15.07.06)

Obwohl die Erfahrungen mit "Rot-Grün" (1998 bis 2005) dieselben waren, empfehlen BUND und andere große Umwelt-Organisationen vor der Bundestagswahl am 27. September, sich an Partei-Programmen zu orientieren. Offensichtlich ist jedoch, daß Appelle an Partei-PolitikerInnen erfolglos bleiben. Erst wenn genügend Menschen in Deutschland aus ihrem "narkotisierten Zustand" (H. E. Richter) erwachen, wird sich eine politische Wende realisieren lassen. Auch Demagogen vom Schlage eines Obama Barack werden hierbei nicht helfen, sondern im Gegenteil die Mehrheit der Menschen in ihrer passiven Erwartungshaltung und ihrer Hoffnung auf eine Erlösung von Oben bestärken.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

Siehe auch unsere Artikel:

      IUCN-Studie:
      Artensterben weltweit beschleunigt (2.07.09)

      Bundesregierung unterliegt:
      Liste der Agrar-Subventionen endlich öffentlich (9.06.09)

      "Waldzustandsbericht" 2008 veröffentlicht
      Wald-AIDS verschlimmert sich schleichend (21.02.09)

      Wald-AIDS auch in den USA
      Sterberate in 20 Jahren verdoppelt (24.01.09)

      Öko-Landbau in Deutschland weiterhin gebremst
      Einseitig Subventionen für Agro-Gentechnik und Agro-Chemie
      (29.01.09)

      Die Subventionierung der Atomenergie
      Info-Serie Atomenergie - Folge 3

      Wald-AIDS:
      Elende Zustände in Baden-Württemberg (18.11.08)

      Wald-AIDS wird beschwiegen
      Mainstream-Medien leugnen weiterin Hauptverursacher (19.03.08)

      Wald-AIDS im Jahr 2007
      und das Elend der Politik (30.01.08)

      Wald-AIDS in Baden-Württemberg
      Nur drei Jahre seit 1983 waren schlimmer... (24.11.07)

      Wald-AIDS im Jahr 2006
      Haupverursacher Landwirtschaft (25.01.07)

      Straßenverkehr subventioniert
      Bahnverkehr stranguliert (15.07.06)

      Seehofer will die jährlichen
      "Waldschadensberichte" canceln (14.07.06)

      Wald-AIDS im Jahr 2005
      Der Waldzustandsbericht und die Ursachen (22.01.06)

      Der Wald hat AIDS
      "Rot-Grün" schaut zu (18.03.05)

      'Wald-AIDS so schlimm wie nie zuvor' (8.12.04)

      'Wald-AIDS - Zustand schlimmer als 1983' (19.10.04)

      'WWF sieht "Rot-Grün" auf dem Holzweg'
      "Holz-Charta" offenbart Mißachtung der Wälder (3.09.04)

      'Der Wald hat AIDS'
      Aktuelle Befunde am Krankenbett (28.06.04)

      'Auch "Rot-Grün" kann nicht länger leugnen:
      Dem Wald geht's immer schlechter' (12.12.03)

      'Waldsterben trotzt Künast
      Optimismus allein nützt nichts' (23.10.03)

      'Waldsterben virulent' (29.08.03)

      'Künast zum Haartest?' (15.07.03)

 

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