Buir (LiZ). 50.000 Menschen demonstrierten am heutigen Samstag für den Erhalt des 5-Prozent-Restes, der noch vom Hambacher Forst übrig geblieben ist. Kaum jemand sprach heute allerdings vom Beitrag der Pseudo-Grünen an dem in den vergangenen Jahren "geleisteten" Verbrechen, 3.900 Hektar des einst 4.100 Hektar umfassenden Waldes abzuholzen.
Durchaus korrekt erinnerte der jetzige "gelbe" NRW-Wirtschafts- und Energieminister Andreas Pinkwart am 14. September daran, daß die Pseudo-Grünen unter Sylvia Löhrmann der Zerstörung des Hambacher Forsts zugestimmt hatten. In einer "Leitentscheidung" der damaligen "rot-grünen" NRW-Landesregierung vom Mai 2016 ist nachzulesen: "Braunkohle ist im rheinischen Revier weiterhin erforderlich. Dabei bleiben die Abbaugrenzen der Tagebaue Inden und Hambach unverändert." Unterschlagen darf dabei allerdings nicht werden, daß Pinkwart die Pseudo-Grünen - wenn auch mit einem etwas verkrampften Grinsen - lobt: Die Waldzerstörung sei "richtig" gewesen.
Auf Tauchstation gegangen ist in diesen Tagen die Pseudo-Grüne Koalitionärin Sylvia Löhrmann, die zusammen mit der damaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Dienste der RWE die Zerstörung des Hambacher Forsts absegnete.
Schon 2012 hatte der nordrhein-westfälische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) versucht, die laufenden Rodungen für den RWE-Braunkohlentagebau Hambach gerichtlich stoppen. Schon damals argumentierte der BUND-NRW, daß mit dem genehmigten Hauptbetriebsplan und den damit verbundenen Waldrodungen bis Ende 2014 die Kernlebensräume etlicher gesetzlich streng geschützter Tierarten vollständig zerstört werden. Diese Argumentation stützte sich schon damals - das ist nachzulesen - auf die Erkenntnis, daß der Hambacher Forst eines der wichtigsten Verbreitungsgebiete für den Mittelspecht und die Bechsteinfledermaus ist und daß insgesamt dort mindestens elf weitere nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU geschützte Tierarten wie die Haselmaus und fünf geschützte Vogelarten vorkommen. Die "rot-grüne" NRW-Landesregierung rührte keinen Finger zur Rettung des Waldes.
Zur Erinnerung: Von 2010 bis 2017 amtierte Hannelore Kraft mit einer "rot-grünen" Koalition als Ministerpräsidentin in Nordrhein-Westfalen. Vize-Ministerpräsidentin und mitverantwortlich für alle umweltpolitischen Verbrechen (besonders hervorzuheben: Braunkohleabbau Garzweiler) war in diesen sieben Jahren die Pseudo-Grüne Sylvia Löhrmann. Vielen wurde der Charakter von Frau Löhrmann erst im Jahr 2017 klar, als sie im Landtags-Wahlkampf als Ministerin dabei erwischt wurde, wie sie aus Publicity-Gründen von ihrem Dienstwagen Audi A8, einem CO₂-Saurier mit einem Ausstoß von 376 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer und einem gigantischen Stickoxid-Ausstoß von 1.938 mg pro Kilometer (Straßenmessung durch die DUH), bei einem Zwischen-Stop in einen klimaverträglichen Kleinwagen umstieg.
Und im Jahr 2015 vermerkte der WDR: "Die stellvertretende Ministerpräsidentin Sylvia Löhrmann (Grüne) reihte sich symbolisch via Twitter in die Anti-Kohle-Menschenkette von Garzweiler ein." Süffisant fügte der WDR hinzu, da könne der Eindruck entstehen, "die Landesregierung sei in der Kohlefrage gespalten."
Erst im Landtagswahlkampf 2017 fiel Frau Löhrmann ein, zu fordern: "…daß der Ausstieg aus der Braunkohle Baustein eines Koalitionsvertrages sein muß."
Von "Rot-Grün" wurde der Kohleabbau "auf der Grundlage geltender Gesetze" - wie es so hübsch hieß - wie unter der "schwarz-gelben" Vorgänger-Regierung Rüttgers weiter ungebremst subventioniert und im Hinblick auf die Klima-Krise bemühte Hannelore Kraft das Standard-Argument von den Arbeitsplätzen, um RWE aus dem Blickfeld verschwinden zu lassen. Am 26.10.2013 sagte sie in einem Interview mit der 'Süddeutschen Zeitung' ganz ungeniert, daß der "Erhalt von Arbeitsplätzen Vorrang gegenüber der Energiewende" haben müsse. Dabei war zu diesem Zeitpunkt längst offensichtlich, daß ihr Parteifreund und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mit seiner obstruktiven Politik gegenüber den erneuerbaren Energien deutschlandweit bereits hunderttausende Arbeitsplätze zerstört hatte, indem er Windkraft- und Solarfirmen in den Ruin trieb - mehr Arbeitsplätze als es in der Kohle-Branche in den 2000er-Jahren jemals gegeben hatte.
In der Braunkohle-Industrie arbeiten derzeit rund 20.000 Menschen, von denen 40 Prozent über 50 Jahre alt sind. Zum Vergleich: Im Bereich der erneuerbaren Energien arbeiten heute trotz aller Rückschläge mehr als 300.000 Menschen.
Der Hambacher Forst ist ein 12.000 Jahre altes Waldgebiet, das sich noch bis vor wenigen Jahren auf über 4.100 Hektar erstreckte und von dem jetzt nur noch 200 Hektar übrig sind - weniger als 5 Prozent. Doch auch auf den restlichen 200 Hektar stehen jahrhundertealte Buchen und Eichen. Im Hambacher Forst kommen streng geschützte Arten wie Bechsteinfledermaus, Springfrosch und Haselmaus vor - wie der Umweltverband BUND bestätigt.
Am heutigen Samstag, 6. Oktober 2018, demonstrierten nun rund 50.000 Menschen um den 5-Prozent-Rest des Hambacher Forsts zu retten. Die Chancen stehen eher schlecht. Die Veranstalter der Groß-Demonstration waren die Initiative Buirer für Buir, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Campact, Greenpeace und die NaturFreunde Deutschlands. Über das punktuelle Ziel hinaus, forderten die Verbände auf der Kundgebung von der Bundesregierung einen "zügigen" Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle. Doch darüber wie das Attribut "zügig" zu definieren wäre, gibt es in Deutschland offenkundig ganz unterschiedliche Ansichten. Aus der Sicht von Konzernen wie RWE und MIBRAG wäre ein Ausstieg aus der Braunkohle bis 2045 explizit ein "übereilter" Ausstieg. Und an welchen Zeitvorstellungen sich Bundesregierungen oder Landesregierungen jedweder Couleur in der Vergangenheit orientierten, dürfte bekannt sein.
Daß überhaupt demonstriert werden durfte, mußte in den vergangenen Tagen vor Gericht erstritten werden. Damit ist jedoch - falsche Hoffnungen sind da leider fehl am Platz - keineswegs ein "Nein" des Gerichts gegen die bevorstehende Abholzung verbunden.
Hier noch einige Zitate aus Reden von der heutigen Kundgebung:
Antje Grothus, Initiative Buirer für Buir: "Gerichte mußten durchsetzen, was eigentlich Aufgabe der Politik ist: Nämlich wertvolle Natur zu schützen vor den rücksichtslosen und rechtswidrigen Plänen eines Energiekonzerns. Die Sturheit von RWEs Kohlepolitik und der Beistand der Landesregierung haben Deutschland international blamiert. Jetzt muß die Bundesregierung die letzten Reste des deutschen Klimarufs retten und den Kohleausstieg sehr ambitioniert angehen."
BUND-Vorsitzender Hubert Weiger: "Wir haben heute ein starkes Signal der Zivilgesellschaft für einen schnellen Kohle-Ausstieg gesendet. Trotz aller Versuche von RWE und der NRW-Landesregierung den Protest unmöglich zu machen, haben sich Tausende für mehr Klimaschutz stark gemacht. Jetzt gibt es ein Zeitfenster in der Kohlekommission, einen großen gesellschaftlichen Kompromiß für den schnellen Kohleausstieg und für zukunftsfähige Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen zu verhandeln."
Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand von Campact: "RWE und die Regierung Laschet haben mit ihrer Ignoranz und Arroganz im Hambacher Wald eine krachende Niederlage erlitten – ein riesiger Erfolg für die Klimaschutz-Bewegung. Doch das war erst der Auftakt: Noch nie haben so viele Menschen für den Ausstieg aus dem Klimakiller Braunkohle demonstriert. Jetzt lassen wir nicht mehr locker, bis die Bagger endlich still stehen und die Schlote nicht mehr rauchen."
Martin Kaiser, Greenpeace-Geschäftsführer: "Dieser Tag zeigt, wie stark die Klimabewegung inzwischen geworden ist. Sie hat RWEs rücksichtslose Kohlepläne gestoppt und sendet damit ein klares Signal Richtung Berlin: Hunderttausende Menschen wollen, daß der Ausstieg aus der Kohle schon heute beginnt. Kein Wald, kein Dorf, keine Kirche dürfen mehr für klimaschädliche Kohle geopfert werden. Nun kann die Kohlekommission endlich ohne RWEs Störfeuer an ihrem Auftrag arbeiten. Sie muß bis Ende des Jahres einen Plan vorlegen, wie Deutschland seine Energieversorgung schnell genug modernisiert, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den Menschen in den Revieren dabei eine Zukunftsperspektive zu bieten."
Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands: "Es geht hier um viel mehr als allein den Hambacher Wald. Wir brauchen den schnellen Kohleausstieg und insgesamt das Ende des fossilen Zeitalters, denn die Menschheit ist auf dem Weg in die ökologische Selbstvernichtung. Niemand kann die Gesetze der Natur ignorieren. In der Kohle-Kommission darf es bei den Ausstiegs-Fristen nicht um irgendeinen Deal gehen. Im Klimaschutz muß das Notwendige und nicht nur das scheinbar Mögliche getan werden."
Anmerkungen
Siehe auch unsere Artikel:
'Robin Wood' besetzt Strommast
Protest gegen Braunkohle-Verstromung (2.08.18)
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Das Land der Klimaheuchelei (27.03.18)
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"Laßt die Braunkohle im Boden!" (25.03.17)
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Lamento der Umwelt-Verbände (27.09.16)
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Verheerende Brände in Kalifornien (19.08.16)
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