43 Milliarden Euro Verlust drohen weiterhin
Die Schließung der einzigen ostdeutschen Landesbank, der SachsenLB, ist vorerst abgewendet. Nach langen Verhandlungen stimmte die sächsische Landesregierung zu, mit 2,75 Milliarden Euro zu bürgen, um der baden-württembergischen Landesbank LBBW den Happen schmackhafter zu machen.
Gestern, Donnerstag, hatte der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Stefan Mappus noch geäußert, er sei "zunehmend skeptisch" und rate davon ab, "nicht völlig überschaubare Risiken einzugehen". Und der Fraktions-Chef der Pseudo-Grünen im baden- württembergischen Landtag, Winfried Kretschmann, bewies gestern einmal mehr sein Talent als Prophet: Eine baden-württembergische Bürgschaft sei "völlig abwegig und gänzlich ausgeschlossen".1
Endgültig unter Dach und Fach ist der Deal allerdings noch nicht: Entsprechend der sächsischen Verfassung benötigt die Landesregierung bei Bürgschaften in einer Höhe von über 1,7 Milliarden Euro die Zustimmung des Parlaments. Mit einem Trick - der Aufteilung in zwei Tranchen auf die Haushalte 2007 und 2008 - kann auch dies umgangen werden.
Nach dem in den letzten Tagen angeblich über zwölf Stunden ununterbrochenen Verhandlungsmarathon sollen neben den Vorständen der beiden Banken und den Eigentümern auch Bundesbank-Präsident Axel Weber, der Chef der Finanzaufsicht BaFin, Jochen Sanio, Sparkassenpräsident Heinrich Haasis und Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt teilgenommen haben. Die BaFin hatte Insider-Informationen zufolge mit der Schließung der SachsenLB gedroht, falls es bis kommenden Samstag zu keiner Einigung gekommen wäre.
43 Milliarden Euro
Mit der Bürgschaft sollen die riskanten Geschäfte der irischen Tochtergesellschaft SachsenLB Europe abgedeckt werden. Wegen des zusammengebrochenen Marktes für hypothekenbesicherte Papiere muß die LBBW mit Ausfällen in einer Höhe von 43 Milliarden Euro rechnen. Hierbei handelt es sich allein um die Risiken, die von der irischen Tochtergesellschaft SachsenLB Europe angehäuft wurden. Sachsen sollte nach dem Willen der LBBW ursprünglich für 4,3 Milliarden Euro des risikobehafteten Kapitals bürgen. Dies hatte die sächsische Landesregierung jedoch als "absolut unmöglich" abgelehnt. Die Summe entspricht rund einem Drittel des Landeshaushaltes.
Bei der nun vereinbarten Regelung stellen die deutschen Girozentralen und Landesbanken die notwendige Liquidität für über die Landesgarantie hinausgehende Verluste zur Verfügung. Von veranschlagten Risiken in Höhe von 17,5 Milliarden Euro übernimmt die LBBW knapp die Hälfte. Das Land Sachsen wird mit der Vereinbarung allerdings zusätzlich belastet: Neben der Bürgschaft von 2,75 Milliarden Euro für mögliche Zahlungsausfälle büßt das Land 500 Millionen Euro ein. Dies Summe wurde vom Kaufpreis für die Bank abgezogen, um weitere Abschreibungen abdecken zu können. Damit liegt der Kaufpreis für die Landesbank Sachsen bei 328 Millionen Euro, dem Eigenkapital der Bank und damit am unteren Ende des Spektrums, das in den Spekulationen der letzten Wochen genannt worden war.
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger nannte die Vereinbarung "einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Landesbanken" und sein Finanzminister Gerhard Stratthaus sagte im SWR ganz offen, ohne die Übernahme der SachsenLB wäre es zu einer "Erschütterung im deutschen und europäischen Bankenwesen" gekommen.
Um die finanziellen Risiken aus der Bilanz der LBBW herauszuhalten werden derzeit wertlose Papiere im Volumen von 17,5 Milliarden Euro wiederum in Zweckgesellschaften überführt. Hierbei handelt es sich um die zu trauriger Berühmtheit gelangten Fonds Ormond Quay, Sachsen Funding und Synapse ABS. Für die Risiko-Absischerung dieser Fonds stellt die SachsenLB eine völlig unzureichende "Garantie" von 2,75 Milliarden Euro. Weitere Kreditgeschäfte im Volumen von rund 11 Milliarden Euro, die über eine "sehr gute Bonität" verfügten, würden in der SachsenLB verbleiben, hieß es. Daß die BaFin bei diesem völlig unseriösen Spiel auf Zeit nicht einschreitet, unterstreicht die inzwischen erreichte Dimension der Banken-Krise, die den Bestand des gesamten europäischen Finanzwesens bedroht.
Der sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt hatte nach eigenen Angaben versucht, die Belastung Sachsens mit den Risiken zu verhindern. Dies hätte jedoch unweigerlich die Schließung der SachsenLB und den damit verbundenen Finanz-GAU nach sich gezogen. Milbradt - als angeblicher Finanzfachmann - konnte zudem wegen seiner Mitwisserschaft über die riskanten Finanzgeschäfte der SachsenLB mit Rücktrittsforderungen unter Druck gesetzt werden.
Kommt es nun zu weiteren Verlusten, muß das Land Sachsen - und damit letztlich die SteuerzahlerInnen - an erster Stelle haften. Steigen die Verluste über das Volumen von 2,75 Milliarden Euro hinaus, haftet nach Angaben des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) die LBBW für weitere 6 Milliarden Euro. Sollten die Ausfälle "wider Erwarten" über die dann erreichten 8,75 Milliarden Euro hinaus anwachsen, müssen die übrigen Landesbanken mit einer nachrangigen Haftung einspringen. Da es sich samt und sonders um "öffentliche Bankinstitute" handelt, haften letztlich die SteuerzahlerInnen.
Das gegenwärtige Spiel auf Zeit kann allerdings nicht ad infinitum fortgesetzt werden: Das wahre Ausmaß der Verluste wird sich spätestens im Laufe der kommenden drei Jahre zeigen, wenn die hypothekenbesicherten Papiere "endfällig" werden und bedient werden müssen. Solange kann die SachsenLB die Papiere bunkern und bis zu deren Fälligkeit warten. Siegfried Jaschinski, Vorstandsvorsitzender LBBW betätigte sich gestern ebenfalls als Prophet und erklärte, er sehe nach der Rettung der SachsenLB in der Zukunft keine größeren Risiken für sein Institut: "Wir können uns nicht vorstellen, daß wir je in Anspruch genommen werden."
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1
2002 hatte Kretschmann in einem Interview mit dem 'spiegel' (42/2002) getönt, die "Grünen" würden einer Laufzeitverlängerung des AKW Obrigheim nicht zustimmen: "Ich bin ganz sicher, daß der Parteitag einer substanziellen Verlängerung der Laufzeit nicht zustimmen wird. Wir können unsere Glaubwürdigkeit nicht in einer so zentralen Frage aufs Spiel setzen. Das wäre politischer Selbstmord."
Bezeichnend für den Zustand dieser Partei sind nicht allein die berechenbaren - und somit leicht vorhersehbaren - Parteitagsbeschlüsse, sondern zugleich das Personal, das seit Jahren unverändert die Spitzenpositionen besetzt hält.
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