um die Wirtschaftskrise aufzuhalten
Die US-Notenbank Fed senkte (18.03.) massiv die Leitzinsen, um so der Wirtschaft Schub zu verleihen und den wirtschaftlichen Einbruch abzufangen. Ob dies gelingt, erscheint mehr und mehr fraglich. Die Fed nimmt dabei zugleich einen massiven Anstieg der Inflation in den USA in Kauf. Die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch kann sich nicht entscheiden und vernachlässigt so ihren Auftrag als Hüterin der Euro-Stabilität, während sie zugleich dem Übergreifen der US-Rezession auf Europa tatenlos zuschaut.
Monatelang erklärten europäische PolitikerInnen, die hohe Inflation sei nur ein vorübergehendes Phänomen und werde im Frühjahr zurückgehen. Doch in den vergangenen drei Monaten war das Gegenteil zu beobachten: In der Euro-Zone kletterte sie auf einen Höchststand von 3,5 Prozent, in Deutschland auf 3,3. In Spanien nähert sie sich der Fünf-Prozent-Hürde und Lettland, Bulgarien und Estland weisen schon zweistellige Raten auf. Der Druck auf die EZB, die Leitzinsen zu erhöhen, wächst. Gleichzeitig wird jedoch der Druck der Politik auf die EZB stärker, den Zins nach dem Vorbild der Fed zu senken. Denn die wirtschaftliche Potenz der EU ist keineswegs so immun wie gerne behauptet wird.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet versucht es dennoch weiterhin mit einem "goldenen Mittelweg". Als Trichet vergangene Woche vor den Wirtschafts- und Währungsausschuß des Europäischen Parlaments trat, machte er deutlich, daß die Zentralbank den Leitzins auf vier Prozent belassen will: "Wir glauben, daß das gegenwärtige Zinsniveau das richtige ist", sagte Trichet in Brüssel. Als Argumente führte er die Gefahr weiter steigender Preise in der Euro-Zone und die Tatsache an, daß vorerst kein Ende der Banken-Krise in Sicht sei. Die Phase hoher Inflation werde länger dauern als ursprünglich erwartet, räumte der EZB-Präsident nunmehr ein. Jetzt sei es entscheidend, eine Lohn-Preis-Spirale zu verhindern, um "Zweitrundeneffekte" zu vermeiden. Um die Glaubwürdigkeit zu sichern, sei es wichtig, angemessene Leitzinsen nur an der Preisstabilität zu orientieren, doch sei die Unsicherheit für die Konjunktur außergewöhnlich hoch.
Nun hat jedoch die Europäische Statistikbehörde Eurostat am 31. März einen neuen deutlichen Anstieg der Inflation in der Euro-Zone gemeldet, der bemerkenswert oft in der Fachpresse das Attribut "unerwartet" erhielt. Angesichts der seit langen stetig steigenden Preises für Erdöl ist dieses Staunen erstaunlich. So stieg die Inflationsrate nun nach Schätzung von Eurostat um 0,2 auf 3,5 Prozent. Doch dies erscheint als reichlich optimistisch - so schätzte Eurostat für Februar 3,2 Prozent und mußte alsbald auf 3,3 Prozent korrigieren.
Seit langem ist zudem erkennbar, daß die für 2008 zu erwartende Inflationsrate nicht nur die hübsche Rentenerhöhung um 1,1 Prozent in eine Kürzung um minus 2 Prozent verwandeln, sondern zudem einige hart erkämpften Lohnerhöhungen auffressen werden.
In Rumänien stieg die Inflation 2007 auf 6,57 Prozent und damit deutlich höher als die von der Regierung angestrebten 4,3 Prozent. Im Februar stieg sie weiter auf nahezu 8 Prozent. Rumäniens Notenbank hob den Leitzins daher von 0,5 auf 9,5 Prozent an. Polens und Ungarns Nationalbanken haben den Leitzins ebenfalls erhöht.
Derweil werden die Notrufe im Zuge der Banken-Krise in den USA immer drastischer. Immer öfter wird die Verstaatlichung von Banken nach dem Vorbild der britischen Northern Rock gefordert. Der US-Ökonom Nouriel Roubini sagte in einem Interview: "Etliche Banken werden einfach zusammenbrechen, wenn wir sie nicht verstaatlichen. Das kostet den Staat eine Unmenge, doch er hat sowieso ein Problem: Ob er nun Banken verstaatlicht, faule Kredite kauft oder die nächste Welle abwartet: Es wird teuer und ziemlich schlimm. Es geht nicht mehr ohne einen großen Eingriff."
Nach und nach werden derweil in Europa die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert. Gerade war es die Prognose für Österreich, die von 2,4 auf 2,1 Prozent gesenkt werden mußte. Zuvor hatten schon die Regierungen Großbritanniens und Frankreich ihre Prognosen gesenkt. In Frankreich verfehlte Nicolas Sarkozy alle gesetzten Ziele. Trotz des schwachen Wachstums 2007 von 1,9 Prozent legte er für 2008 einen Haushalt vor, der auf eine Wachstumsprognose von 2,25 Prozent baute. Doch Wirtschaftministerin Christine Lagarde spricht inzwischen nur von 1,7 bis 2 Prozent. AnalystInnen prophezeien ein Wachstum von 1,5 Prozent.
Als unmittelbare Folge wächst die Staatsverschuldung. Schon 2007 stieg sie von 63,6 Prozent im Vorjahr auf 64,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das Haushaltsdefizit lag 2007 bei 2,7 Prozent - dabei hatte Sarkozy 2,4 Prozent versprochen. 2008 sollte sie weiter auf 2,3 Prozent sinken. Beide Ziele wird er verfehlen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut 'Observatoire français des Conjonctures économiques' (OFCE) erwartet, daß die Defizitquote 2008 eher um 3 Prozent herum liegen wird. Das Ziel, bis 2012 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, werde mit Sicherheit nicht erreicht. Dabei sieht der Maastricht-Vertrag vor, daß die Gesamtverschuldung maximal 60 Prozent des BIP betragen und das Defizit höchstens 3 Prozent des BIP ausmachen dürfe. So wird Frankreich im zweiten Halbjahr die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, wenn es gegen alle Auflagen verstößt.
Noch härter wird Spanien in Mitleidenschaft gezogen werden. Dies ist zu großen Teilen der hausgemachten Immobilien-Krise1 geschuldet. Die spanische Wirtschaft hing zu rund einem Drittel an einem Bauboom, der sich zu einer Immobilien-Blase entwickelte. Die Regierung kommt nun kaum noch nach, ihre Wachstumsprognosen zu berichtigen. Wirtschaftsminister Pedro Solbes geht offiziell noch immer von 3,1 Prozent aus, doch hat die Zapatero-Regierung die Prognose intern längst auf 2,4 bis 2,7 Prozent gesenkt. Nun liegen Analysen vor, die gerade noch von 1,8 Prozent ausgehen.
Auch die Immobilienfirmen räumen inzwischen ein, daß die Preise für Häuser und Wohnungen 2008 weiter fallen werden. Von einer "flachen Landung", welche die Zapatero-Regierung lange ankündigt hatte, ist keine Rede mehr. Die spanische Statistikbehörde teilte mit, daß die Immobilien-Preise im Januar im Vergleich zum Vorjahr sogar um 27,1 Prozent eingebrochen sind.
Bei fallenden Preisen beginnt sich in Spanien die Spirale nach unten zu drehen, die in den USA schon so richtig in Fahrt ist. Da hohe Kredite von spanischen Banken nach US-Vorbild sogar ohne Eigenanteil vergeben wurden, sitzen viele Familien auf Immobilien, die längst den Preis nicht mehr wert sind, den sie dafür bezahlt haben. Zudem nutzt es ihnen nichts, wenn die EZB die Zinsen stabil hält. Denn die schlauen spanischen Banken haben mit Duldung der Regierungen die Hypothekenkredite an den Zinssatz gebunden, mit dem sich Banken untereinander Geld ausleihen. So haben sie das Zinsrisiko voll auf die Familien abgewälzt und der Euribor erreichte am Freitag mit 4,73 Prozent einen neuen Jahresrekord. Die Zinslast steigt zudem gerade für viele spanische Familien, die wegen der Rekordinflation von 4,6 Prozent erneut Reallohneinbußen hinnehmen müssen.
Die abflauende Bautätigkeit, die auch einen Einbruch beim Konsum nach sich zieht, läßt zudem die Arbeitslosigkeit steigen. Und wegen der Arbeitslosigkeit, der hohen Inflation und hoher Hypothekenzinsen können immer mehr hoch verschuldete Familien ihre Kredite nicht mehr abzahlen. Welche Gefahr hier für das spanische Banken-System lauert, läßt sich in einer Zahl ausdrücken: 60 Prozent aller vergebenen Kredite sind mit dem Bauboom verknüpft und wegen fallender Immobilienpreise sind viele Kredite nun durch nichts mehr gedeckt.
Hinzu kommt in steigendem Maße der Verzug bei der Ratenzahlung. AnalystInnen setzen hier eine eine kritische Schwelle bei 5 Prozent an. Wird diese Schwelle überschritten, was von nicht wenigen in Spanien für die nächste Zukunft prognostiziert wird, "dann haben die Banken, die Sparkassen im Besonderen, viele Probleme", sagt Ökonomie-Professor für Pompeu Fabra. So scheint es, daß durch eigenes Verschulden die europäische Wirtschaft mit der US-amerikanischen heute noch enger vertaktet ist als in früheren Zeiten. Meldungen von Milliarden-Abschreibungen europäischer Banken, die stark im spanischen Immobilienmarkt involviert sind, werden nicht mehr lange auf sich warten lassen.
REGENBOGEN NACHRICHTEN
Anmerkungen
1 Siehe hierzu auch:
Löst Spanien den europäischen
Wirtschafts-Crash aus? (3.07.04)
und
Spaniens Immobilien-Blase geplatzt
Beschleunigt in die Krise (15.01.08)
Siehe unsere Artikel zum Thema:
Schweizer Spitzenbank UBS und Deutsche Bank
offenbaren weitere Milliardenbelastungen
Banken-Krise geht an die Substanz (1.04.08)
Fed auf Inflations-Kurs
Banken-Krise erzwingt Zinssenkung auf 2,25 Prozent (18.03.08)
Bear Stearns kippt
Banken-Krise schlägt scheinbar über Nacht zu
UBS-Aktie stürzt in der Folge ab (14.03.08)
Fed pumpt weitere 200 Milliarden
Krise verschärft sich rasant (11.03.08)
Die nächste deutsche Bank mit
Milliarden-Abschreibung: HSH Nordbank (10.03.08)
US-Wirtschaftskrise weitet sich aus
"Heuschrecken" vor Pleitewelle (1.03.08)
Ifo-Index für Weltwirtschaftsklima verdüstert
Niedrigster Stand seit fünf Jahren
Weltweite Ölförderung sackt weiter ab (20.02.08)
Krise der US-Kreditversicherer
Nicht nur die Banken wanken (14.02.08)
"Schwarz-Rot" plündert Staatsvermögen
zur Abwendung von Banken-Crash
Zusammenbruch der IKB mit weiteren Milliarden hinausgezögert
(13.02.08)
IKB offenbart weitere 2 Milliarden Euro Deckungslücke
KfW-Bank kann Insolvenz allein nicht mehr aufhalten (11.02.08)
Banken klemmen Kredite ab
Teufelskreis beschleunigt Tempo (5.02.08)
Fed senkt erneut den Leitzins
Letzter Stop vor der Weltwirtschaftskrise? (30.01.08)
Weltwirtschaftsforum in Davos
Im Schatten der herannahenden Weltwirtschaftskrise (26.01.08)
Fed versucht Wirtschaftskrise zu stoppen
Größte Zinssenkung seit 25 Jahren (22.01.08)
Klassischer Crash beim DAX
US-Wirtschaftskrise verursacht Panik an Frankfurter Börse (21.01.08)
Merrill Lynch erhöht um 14 Milliarden
Banken-Krise entwickelt unersättlichen Appetit (17.01.08)
Kleiner Crash beim DAX wegen Hypo Real Estate
Banken-Krise schüttelt deutsche Börse (15.01.08)
Citigroup muß nochmals 18 Milliarden abschreiben
Auf der Suche nach Investoren (15.01.08)
Spaniens Immobilien-Blase geplatzt
Beschleunigt in die Krise (15.01.08)
Rezession der US-Wirtschaft nicht mehr zu leugnen
Banken-Krise wächst sich zu Wirtschafts-Krise aus (12.01.08)
Kredit-Engpaß bei britischer Wirtschaft
Britische Banken leiten Rezession ein (3.01.08)
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(23.12.07)
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Mit Milliarden gegen die Banken-Krise (13.12.07)
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(17.08.07)
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