25.10.2007

Banken-Krise:
Britische Notenbank warnt

USA-Notenbank Fed pumpte erneut Milliarden

Die britische Notenbank, Bank of England, warnt vor einer Zunahme der Turbulenzen auf den Finanz- märkten. In ihrem aktuellen Bericht zeichnet sie ein für neoliberale WirtschaftstheoretikerInnen unerwartet düsteres Bild. Das Institut sieht das Finanzsystem mit der "größten Herausforderung seit mehreren Jahrzehnten" konfrontiert.

Die Bank of England hatte bereits vor gut einem Monat die in Schieflage geratene britische Bank Northern Rock in einer Stützungsaktion vor der Zahlungsunfähigkeit retten müssen. (14.09., 17.09.) Die fünftgrößte Hypothekenbank Großbritanniens erhielt Notfallkredite von bislang 13 Milliarden Pfund, weil sie sich am Geldmarkt nicht mehr refinanzieren konnte.

"Die Kreditkrise ist noch lange nicht ausgestanden", heißt es im Bericht der Bank of England. Die Londoner City und das gesamte Finanzsystem sei anfällig. Besondere Gefahr drohe den Aktienmärkten und dem Immobilienmarkt. Erst vor wenigen Tagen hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) vor einer schweren Immobilienkrise in Großbritannien nach dem Muster der USA gewarnt.

Nach Einschätzung des IWF droht einigen europäischen Immobilienmärkten ein ähnlicher Einbruch, wie er derzeit die US-Wirtschaft erschüttert. In seinem halbjährlichen 'World Economic Outlook' verweist der IWF darauf, daß der Immobilienmarkt in Großbritannien noch stärker überbewertet sei als in den USA, bevor dort die Preise abzusacken begannen. Ebenso kursieren schon seit längerem Warnungen vor einem Platzen der Immobilienblase in Spanien.

Die Bank of England verweist auf das Risiko, das in den sogenannten "Adverse credits" auf dem britischen Hypothekenmarkt steckt. Dabei handelt es sich um ein Äquivalent zu den amerikanischen Subprimes (durch Hypothekendarlehen geringerer Qualität besicherte Schuldtitel), die in Großbritannien nach vorsichtigen Schätzungen 3 bis 4 Prozent der Hypothekenkredite ausmachen. Dabei handelt es sich in etwa um ein Viertel des Anteils in den USA, dessen Platzen vor drei Monaten unüberhörbar war.

Ausgelöst wurde die Banken-Krise Ende Juli durch das Platzen der US-amerikanischen Immobilien-Blase. Der rapide Preisverfall am US-Immobilienmarkt führte zunächst zur so genannten Subprime-Krise. Beflügelt vom ab April 2003 durch den Zufluß irakischen Öls ausgelösten Aufschwung vergaben US-Banken immer leichtfertiger Darlehen - auch an Klienten mit minderer Kreditwürdigkeit (subprime). Als die Immobilenpreise zu fallen begannen und immer mehr der Subprime-KundInnenen ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, rutschten eine Reihe von US-Hypothekenbanken in eine Schieflage oder sogar in die Pleite.

Viele Banken hatten in den USA wegen überdurchschnittlichen Profit-Raten in Wertpapiere investiert, die auf scheinbar sicheren Immobilien-Krediten basierten. Wegen des im Verhältnis zur Wirtschaftskraft der USA ungewöhnlich niedrigen Zinsniveaus und überschießender Geld-Liquidität wurden Hypotheken weitgehend ohne die üblichen Sicherungen vergeben (subprime-Markt). Dies erst führte zum Boom auf dem Haus- und Wohnungsmarkt und zu deutlich überhöhten Immobilienpreisen (Blase). Das Platzen der Blase ist daher nicht die Ursache, sondern lediglich der Auslöser der Krise.

Hypotheken wurden gemischt mit anderen Wertpapieren weiterverkauft oder zur Absicherung von Anleihen verwendet. So wurde das Risiko breit gestreut und laut der herrschenden ökonomischen Lehrmeinung minimiert. Nach dem Platzen der Immobilien-Blase haben nun die weltweit gestreuten Risiken zu einer um sich greifenden Banken-Krise geführt. Wegen des Nachfrage-Einbruchs ist kein Markt mehr vorhanden und so können Preise für hypotheken-gedeckte Wertpapiere (MBS) nicht mehr ermittelt werden, was zu massiven Abschreibungen in den Bankbilanzen führt.

Mittlerweile hat die Banken-Krise auf zahlreiche Märkte rund um den Globus übergegriffen. Sie geht einher mit einer massiven Vertrauenskrise im Finanzsystem. In den USA und mittlerweise zunehmend auch in Europa führt eine restriktive Kreditvergabe durch die Banken zu einem Konjunktureinbruch. Auch die Investmentbank Morgan Stanley sieht die Gefahr eines Einbruchs am britischen Immobilienmarkt und hält im schlimmsten Fall einen Kursrückgang der führenden Immobilienaktien um bis zu 30 Prozent für möglich. Selbst neoliberale WirtschaftswissenschaftlerInnen schließen eine Rezession nicht mehr aus.

Aufgrund der wachsenden Risiken durch die Banken-Krise haben zahlreiche ExpertInnen ihre Schätzungen für die Entwicklung der britischen Volkswirtschaft bereits deutlich reduziert. Die Mehrheit geht mittlerweile für 2008 nur noch von Wachstumsraten von 2,0 bis 2,3 Prozent nach drei Prozent in diesem Jahr aus.

Die britische Wirtschaft ist besonders abhängig von der Finanzbranche. In der City von London werden etwa zehn Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts Großbritanniens erwirtschaftet. Nach dem langen Boom der vergangenen Jahre rechnen die ExpertInnen für 2008 mit einer deutlichen Abkühlung und einer Entlassungswelle. Rund 6.000 Jobs stehen den Schätzungen zufolge in City von London auf dem Spiel. Noch drastischer könnte der Abbau in den USA ausfallen. Allein die Bank of America will 3.000 Stellen streichen.

Michel Péretié, Europachef der US-Investmentbank Bear Stearns, beziffert den Schaden, der den Banken allein in den USA droht, auf 100 bis 150 Milliarden US-Dollar. Die per Abschreibungen bisher öffentlich gemachten Verluste belaufen sich jedoch erst auf insgesamt rund 30 Milliarden US-Dollar. Die britischen Kreditinstitute müßten nach Schätzungen der Bank of England im schlimmsten Fall zusätzlich unerwünschte Kredite im Wert von 150 Milliarden Pfund in ihre Bücher nehmen, wenn sie für all ihre Liquiditäts- und Finanzierungszusagen geradestehen müßten und die Darlehen nicht an andere Investoren weiterverkaufen könnten.

Auch die bis Mitte dieses Jahres boomende Private-Equity-Branche gerät zusehends tiefer in den Sog der Banken-Krise. Die Beteiligungsgesellschaften kauften im dritten Quartal in Europa nur noch Firmen im Wert von 42 Milliarden Euro - ein Drittel weniger als noch im Vorquartal. Vor allem die großen Milliardendeals trockneten aus, weil die Banken nicht mehr bereit sind, sie zu finanzieren.

Die USA-Notenbank Fed sah sich erneut gezwungen, massiv Liquidität in den Geldmarkt zu pumpen. Seit Montag hat die Fed den Banken insgesamt 25,5 Milliarden US-Dollar zusätzlich zur Verfügung gestellt. Die Notenbank versucht so einmal mehr zu verhindern, daß der Markt, an dem sich Banken kurzfristig Geld leihen, völlig austrocknet.

 

REGENBOGEN NACHRICHTEN

 

Anmerkungen

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